Reise zum Ich

Eine junge Lehrerin pendelt täglich mit dem Zug in eine nahegelegene Stadt, um zu ihrer ersten Arbeitsstelle zu gelangen. Vieles ist in ihrem Leben im Umbruch, die neue Rolle als Lehrende, nicht sehr viel älter als ihre Schüler*innen, es passt noch nicht. Nicht so ganz passt auch die Affäre zu dem verheirateten Mann, den sie am ersten Arbeitstag im Zug trifft. Die Ich-Erzählerin startet unsicher in ihren neuen Lebensabschnitt. Der Arbeitsalltag ist überfordernd und schon irgendwie bedrückend gleichzeitig. Sie pendelt nicht nur zwischen ihrer Wohnung und der Schule, sondern auch zwischen Vergangenheit und Zukunft, Sich-Gehenlassen und Sich-Zusammenreißen, Gefühl und Vernunft. Die Suche der „Neuen Reisenden“ porträtiert die dänische Autorin Tine Høeg in ihrem preisgekrönten Debutroman von 2017, der nun auch auf Deutsch erhältlich ist. Als monologische Darstellung war das Werk auch schon auf der Bühne. Das erste Durchblättern macht etwas stutzig, die kurzen Kapitel in einem lyrischen Textsatz, jeder neue Satz eine neue Zeile, manchmal nur Schlagwörter, keine Interpunktion – geht sich da ein Roman aus? Es geht. Und wie. Trotz knappster Sprache, erzeugt Høeg ein extrem dichtes Leseerlebnis. Es wird genug gesagt, um in die Welt der Erzählerin hineingesogen zu werden und teilzuhaben an diesem jungen Erwachsenenleben der heutigen Zeit. Es bleibt große Vorfreude auf mehr von Tine Høeg.

Tine Høeg: Neue Reisende. Aus dem Dän. von Gerd Weinreich. 128 Seiten, Droschl, Graz/Wien 2020, EUR 19,00

erstmals erschienen in WeiberDiwan Sommer 2020

Schwimm dich frei

Die zwölfjährige Petra wohnt mit ihrer Mutter, die als Kellnerin jobbt, in einem kleinen Dorf in Norwegen. Sie spielt sehr gut Fußball und kommt auch in der Schule zurecht, wenn sie auch nicht die Beliebteste ist. Aber in Mathe-As Chris und der ebenfalls fußballbegeisterten Melika, die mit ihren Eltern nach Norwegen geflohen ist, hat sie zwei beste FreundInnen. Doch als das neue Schuljahr beginnt, wird alles auf den Kopf gestellt. Es beginnt in der Mathematikstunde: Petra liebt gerade Zahlen, die lassen sich glatt teilen. Was sie nicht so mag sind Primzahlen. Als die Mathelehrerin aber mit der Kreiszahl Pi anfängt, wird Petra ganz schwindlig – eine unendliche Zahl bringt ihre Gedanken ganz durcheinander. Und dann verliebt sie sich auch noch in einen neuen Schüler, der ein ziemlich guter Schwimmer ist, und das, wo doch Petra panische Angst vor Wasser hat, seit sie zusammen mit Chris auf dem gefrorenen Fluss eingebrochen ist. Was für ein Durcheinander. Doch noch gar nichts im Vergleich zu dem, was Melika durchmacht, deren Bruder auf der Flucht von der Familie getrennte wurde und durch Europa irrt und beim Versuch, den Ärmelkanal zu überqueren, verletzt wird. Eine spannende Rettungsaktion aus Norwegen beginnt. Ein überzeugendes Debüt der Norwegerin Ingrid O. Volden. Ich freue mich auf mehr!

Ingrid O. Volden: Unendlich mal unendlich mal mehr. Aus dem Norw. von Nora Pröfrock. 174 Seiten. Thinemann, Stuttgart 2018     EUR 13,40

Lyrik in zwei Sprachen

„Der Sonnenball/Schwindet in die Polarnacht/Um im Frost zu verglimmen“ – es sind Verse wie dieser, die in der Gedichtsammlung „Sahne für die Sonne“ der samischen Autorin Inger-Mari Aikio die acht Jahreszeiten Lapplands fühlbar machen. Entstanden sind die Gedichte in einem gemeinsamen lyrischen Musikprojekt der Autorin mit dem finnischen Musiker Miro Mantere. Der Form nach sind die kurzen Gedichte eine Mischung aus Haiku und Tanka, die Aikio „Taiku“ nennt. Ausgehend von Naturmotiven schrieb die zweisprachige Autorin insgesamt über 300 Gedichte, teilweise auf Samisch, teilweise auf Finnisch, wobei immer zwei einander inhaltlich entsprechen, aber nicht wortwörtlich übersetzt sind, sondern in der jeweiligen Sprache die selbe Wirkung mit den jeweils am besten passenden sprachlichen Mitteln erzeugt wird. Um diese Dopplung auch für eine deutsche Ausgabe nachvollziehbar zu machen, wurde mit zwei (ebenfalls verwandten) Zielsprachen – Deutsch und Englisch – gearbeitet. Studierende der Uni Bielefeld arbeiteten dafür mit erfahrenen Dozentinnen und professionellen literarischen Übersetzerinnen zusammen. Das Ergebnis ist somit nicht nur in den lyrischen Naturbeschreibungen in jeder Sprache interessant, sondern auch in der Zusammenschau beider Übersetzungen und dem Herantasten an die sprachlichen Nuancen. „Even the sun must/Surrender into the polar night/Let it lead into the frost”. Ein Must-Read.

Inger-Mari Aikio: Sahne für die Sonne. 94 Seiten. Verlag Hans Schiler, Berlin/Tübingen 2018     EUR 16,50

Nachschau: Adventsverlosung

Das erste Gewinnspiel hier auf nordstein.at ist am Samstag mit einer ganz offiziellen Ziehung – aus einer ganz echten „Michelmütze“ („mysse“ wie der kleine Småländer statt der hochschwedischen Variante „mössa“ immer sagt) – zu Ende gegangen.

Als Trostpreise konnten für jene, die keine Kinokarten gewonnen haben, auch noch zwei Bände aus der Lindgrenreihe verlost werden, die vom Filmverleih zur Verfügung gestellt wurden.

Ich wünsche allen Gewinnerinnen gute Unterhaltung im Kino bzw. mit der Lektüre!

Willkommen zum NordNerds Adventskalender 2018 – Türchen 9 wartet

Logo NordNerds Adventskalender 2018Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf und Madita, sie alle haben mir schon als Kind die Zeit des Wartens auf Weihnachten verkürzt – sei es durch die Schilderungen des idyllischen schwedischen Weihnachtens oder durch die mit Sicherheit zu den Feiertagen wiederkehrende Ausstrahlung der diversen Verfilmungen. Es lag also mehr als nahe, mein Türchen Nr. 9 des NordNerds Adventskalenders 2018 mit einem Beitrag zu jener Frau zu füllen, die mir und so vielen anderen diese Fantasiewelten geschenkt hat: Astrid Lindgren. Und weil es so schön ist, aus dem Adventskalender kleine Geschenke zu holen, gibt es auch etwas zu gewinnen.

Astrid Lindgren – Film und Gewinnspiel

FilmplakatSo bekannt Astrid Lindgrens Bücher und Filme auch sind, und zwar mit ungebrochener Beliebtheit über inzwischen mehrere Generationen von Lesenden, so wenig weiß man – zumindest außerhalb Schwedens – über die Autorin selbst. Vielleicht ist das auch gar nicht notwendig, denn schließlich sprechen ihre Werke für sich. Doch nun, fast 17 Jahre nach dem Tod Lindgrens, bringt ein neuer Film ganz private Seiten ihrer Biografie auf die Leinwand. Die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen ist eigenen Angaben zufolge durch Zufall auf die Geschichte jener einschneidenden Erlebnisse aus den Jugendjahren der Autorin gestoßen, die sie zu weiteren Recherchen und schließlich dem gerade auch im deutschsprachigen Raum angelaufenen Film „Astrid“ inspiriert hat.

Ein Geheimnis war es nie, in allen Biografien ist es nachzulesen, doch nachdem Lindgren selbst sich später nie öffentlich dazu geäußert hat, wurde auch nie eine große Sache daraus. Mit 16 Jahren bekam Astrid – damals Ericsson – die Chance, als Volontärin bei der Zeitung von Vimmerby zu arbeiten und damit sich erstmals in jenem Metier zu erproben, das später ihr Leben prägen sollte, dem Schreiben. Sie war jung und hungrig nach dem Leben, es waren die „wilden“ 20er Jahre, ein bisschen auch in Småland. Doch eine Affäre mit dem 30 Jahre älteren Chefredakteur der Zeitung blieb nicht folgenlos. Astrid wurde schwanger, und „wilde“ 20er Jahre hin oder her, im Dorf wäre das ein Skandal geworden, hätte es sich herumgesprochen. Eine leichte Lösung für die entstehenden Probleme gab es nicht. Eine Heirat mit dem noch dazu anderweitig verheirateten künftigen Vater kam nicht in Frage.

Astrid floh aus ihrem Heimatort nach Stockholm und begann dort eine Ausbildung zur Sekretärin. Das Kind brachte sie in Kopenhagen auf die Welt, wo das einzige Krankenhaus Skandinaviens lag, in dem Geburten nicht offiziell an die Heimatgemeinden gemeldet wurden und es möglich daher möglich war, den Vater nicht bekannt zu machen. Doch mit nach Hause nehmen konnte sie den kleinen Lasse nicht, er blieb bei einer Pflegemutter in Dänemark. Astrid schloss ihre Ausbildung ab, lebte in einem kalten Untermietszimmer und hungerte, damit sie ab und zu eine Reise über den Öresund zu ihrem Sohn finanzieren konnte. Erst nach einigen Jahren war Astrid in der Lage, ihr Kind nach Stockholm zu holen.

Der Film mit der dänischen Schauspielerin Alba August in der Hauptrolle konzentriert sich auf jene wenigen Jahre des Erwachsenwerdens und versucht mit großer Emotion die Bedeutung dieser schweren Erfahrungen für das Schaffen einer später berühmten Autorin zu ergründen. Während der Film in Schweden ein großer Publikumserfolg ist und vor allem die Leistung der Hauptdarstellerin hoch gelobt wird, gibt es auch kritische Stimmen, nicht zuletzt von Personen, die Lindgren persönlich kannten. Biografische Filme müssen immer interpretieren und Lücken in der Erzählung füllen – und diese Lücken sind hier aufgrund der Zurückhaltung Lindgrens groß. Dadurch werden Filme wie dieser aber auch zu eigenständigen Werken, in denen Fakten und Fiktionen zu einer neuen Geschichte verwebt werden. In diesem Fall die Geschichte einer jungen Frau, die gegen alle Konventionen der Gesellschaft ihrer Zeit kämpft und große Entbehrungen auf sich nimmt, um sich so viel Autonomie wie möglich zu verschaffen, und das ist weit über die Lebensgeschichte Lindgrens hinaus interessant und sehenswert.

Kinokarten zu gewinnen

Neugierig geworden? Du möchtest selbst eintauchen in diese Erzählung übers Erwachsenwerden unter besonders schwierigen Umständen? Dann kannst Du hier 2 x 2 Kinokarten für den Film „Astrid“ gewinnen. Mitmachen können alle, die über 18 und in Österreich wohnhaft sind. Alles was Du tun musst, ist unter diesem Artikel in den Kommentaren zu posten, welches Deine Lindgren-Lieblingsfigur ist und warum.

Unter allen Kommentaren, die bis 14. Dezember 2018 um 23:59 eingehen, wird ausgelost. Die GewinnerInnen werden per E-Mail verständigt. (Deine E-Mail-Adresse ist zur Abgabe eines Kommentars nötig. Sie wird aber nicht auf der Webseite angezeigt und für keinen anderen Zweck als die Gewinnspielabwicklung verwendet oder gespeichert.) Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen im Detail.

Weiterlesen

Wenn Du einstweilen schon mal mehr zu Astrid Lindgren lesen möchtest, findest Du auf meinem Blog Artikel zu Lindgrens Engagement gegen Gewalt gegen Kinder, zu einem wunderschönen Bildband mit Eindrücken aus allen Lebensabschnitten der Autorin, zur Urfassung von Pippi Langstrumpf sowie zum Briefwechsel mit Sara Schwardt.

 

Dieser Artikel ist ein „Türchen“ des NordNerds-Adventskalenders. Mehr nordischen Weihnachtsflair gibt es täglich auf folgenden Blogs:

  1. Sa www.mahtava.de
  2. So www.schwedenundso.de
  3. Mo www.bessernordalsnie.net
  4. Di www.sanddornundseegras.de
  5. Mi www.mahtava.de
  6. Do www.fernwehge.com
  7. Fr www.nordlandfieber.de
  8. Sa www.nordlicht-unterwegs.de
  9. So www.nordstein.at
  10. Mo www.utiniswundertuete.de
  11. Di www.tarjasblog.de
  12. Mi www.wienerbroed.com
  13. Do www.schwedenhappen.ch
  14. Fr www.bit.ly/franziinschweden
  15. Sa www.kapidaenin.de
  16. So www.besser-nord-als-nie.net
  17. Mo www.heldenunterwegs.de
  18. Di www.toertchenmadeinberlin.com
  19. Mi www.einfachschweden.de
  20. Do www.mahtava.de
  21. Fr www.elchkuss.de
  22. Sa www.meerblog.de
  23. So www.kapidaenin.de
  24. Mo www.finnweh.de 

Feministisch Schreiben

Trotz langer Erfahrung als Buchrezensentin stehe ich gerade vor der etwas paradoxen Situation, ausgerechnet bei einem Buch über das Schreiben nicht zu wissen, wie ich anfangen soll. In „Schafft euch Schreibräume!“ von Judith Wolfsberger, Autorin, Schreibtrainerin und Gründerin des Schreibstudios writersstudio in Wien, werden wir Zeuginnen des sich über Jahre erstreckenden Prozesses der Entstehung ebendieses Buches. Die Lektüre war lustvoll und interessant. Das Buch strotzt nur so von Gedanken und Ideen, denen ich gerne nachgehen würde. So stehe ich vor der unlösbaren Aufgabe in dem zur Verfügung stehenden Platz all das anzusprechen und muss mich auf Andeutungen beschränken. Das Buch verwebt das im anglo-amerikanischen Raum verbreitete autobiografische Genre eines Memoirs mit Travel Essays, Analysen von Virginia Woolfs Texten, fragt danach, was Schreibende zum Schreiben brauchen, und reflektiert Fragen zu feministischer Schreibpraxis, nicht zuletzt von Wissenschaftlerinnen. Die Autorin nimmt uns mit auf Reisen auf den Spuren Virginia Woolfs nach London oder Cornwall, teilt persönliche Auseinandersetzungen mit der eigenen Familiengeschichte und intergenerationellen Traumata, analysiert die Entwicklung von Schreibräumen für Frauen, wobei „Räume“ weiter zu verstehen sind als einfach nur „Zimmer“ und berichtet von Erfahrungen aus amerikanischen Schreibgruppen und -seminaren. Ein Band zum Immer-wieder-lesen, Querlesen, Drin-Blättern, Anregungen finden – für alle schreibenden Feministinnen.

Judith Wolfsberger: Schafft euch Schreibräume! Weibliches Schreiben auf den Spuren Virginia Woolfs. Ein Memoir. 292 Seiten, Böhlau Verlag, Wien 2018      EUR 30,–

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2018

NordNerds Thema – Das Nordlicht

In einer Woche ist Tag-und-Nacht-Gleiche, das heißt Tag und Nacht sind an diesem Tag gleich lang, danach werden die Tage bis zur Wintersonnwende immer kürzer – je weiter nördlich, desto dunkler wird es nun. Doch einen großen Vorteil hat diese Dunkelheit, sie lässt auch die Nordlichter wieder strahlen.

Aurora Borealis heißt das Phänomen der meist grünen, wasserfallartigen Farbschleier, die in der Atmosphäre sichtbar werden auf Lateinisch, Morgenröte des Nordens. Zwischen mystischen Bedeutungszuschreibungen und wissenschaftlichen Erklärungsversuchen ist die Beobachtung des Naturschauspiels auch heute noch ein unvergessliches Erlebnis. Zahlreiche Reisende machen sich daher jeden Winter auf in die einsamen, dunklen Gegenden des nördlichen Europas, um die Polarlichter zu sehen. Voraussetzungen sind nicht nur Durchhaltevermögen – das Nordlicht zeigt sich oft erst nach Mitternacht in voller Pracht – und hohe Kältetoleranz respektive polarnachttaugliche Kleidung, sondern auch noch eine gute Portion Glück, denn nicht nur wolkenloses Wetter ist notwendig, sondern vor allem das Stattfinden von Sonnenstürmen, bei denen geladene Teilchen Richtung Erde ausgestoßen werden, die dann durch das Magnetfeld an die Pole gelenkt beim Eindringen in die Atmosphäre zu diesen grünen, blauen, roten und weißen Lichtspektakeln führen. Soweit zumindest die vereinfachte Erklärung.

Über das Nordlicht wird natürlich auch allerhand geschrieben und gebloggt, weshalb es mich besonders freut, mich als frischgebackenes Mitglied der NordNerds auf die Suche nach spannender Lektüre zu machen. Die NordNerds bilden eine Vernetzungsinitiative von Bloggerinnen und Bloggern mit nordischem Schwerpunkt, von Reise- über Designblogs bis zu Foodblogs spannt sich der Bogen – und ja Buchblogs zum Norden gibt es auch.

Und Bücher sind für mich natürlich auch der Ausgangspunkt für diese Reise in polare Blogpostgefilde. Die meisten Romane, deren Handlung im hohen Norden spielt, kommen um die Beschreibung der dort so präsenten Naturphänomene nicht herum, seien es die hellen Mittsommernächte oder die winterlichen Polarlichter. Diese sind aber nicht nur Kulisse, sondern vielmehr essentiell für die literarische Gestaltung und Vermittlung eines Verständnisses davon, was es heißt, in diesen Regionen tatsächlich zu leben und nicht nur eine Woche staunend durch den Schnee zu stieben. Beim Kramen im eigenen Archiv bin ich dabei auf den Roman Nordlicht der österreichischen Autorin Melitta Breznik gestoßen, die ihre Protagonistin zur Selbstfindung auf die winterlichen Lofoten reisen lässt, freilich ein psychologisch wagemutiges Unterfangen in einer Krisensituation.

Für KrimiliebhaberInnen hat der Norden des Nordens natürlich auch einiges zu bieten. Ich möchte hier aber nur auf eine meiner Lieblingsautorinnen Åsa Larsson hinweisen, die leider nun schon länger keine Kriminalromane mehr veröffentlicht hat, dafür aber im Jugendbuchgenre erfolgreich ist. Ihre Krimiserie um die Hauptfigur Rebecka Martinsson ist inzwischen auch verfilmt worden und im deutschen Fernsehen gelaufen. Den Auftakt bildet der Band Sonnensturm (orig. Solstorm) – mit jeder Menge Spannung unter Nordlichtern.

Schließlich möchte ich auch noch von meinem ersten Eindruck einer eben auf Deutsch und Englisch erschienen Gedichtsammlung Sahne für die Sonne der samischen Autorin Inger-Mari Aikio berichten. Im Original stehen einander samische und finnische Versionen von Naturgedichten gegenüber. Dieses Nebeneinander der Sprachen, in denen gleiche Stimmungen nicht immer in wörtlicher Übereinstimmung wiedergegeben werden können, wird so nachempfunden. Dem Nordlicht sind unter anderem folgende Zeilen gewidmet:

Die Winde spielen
Auf der Lichtorgel des Himmels
Die Melodie hüpft auf dem Schnee

Die Rezension folgt bald auf nordstein.at.

Nachdem jetzt also schon für die literarische Einstimmung gesorgt ist, kann es an die Reiseplanung gehen. Einen sehr guten Einstiegsartikel Wenn in Schweden Winter ist, … findet ihr auf Rikes Blog Schweden und so – dort wird nicht nur genauer als von mir eben erklärt, wie das Nordlicht in seinen verschiedenen Ausformungen entsteht, sondern auch wann und wo man die besten Chancen hat, es zu erleben. Dazu sind extra auch einige Links zu Vorhersageplattformen angegeben sowie Tipps für vertiefte Vorbereitung in Sachbüchern und Bildbänden.

Auf Die Jagd nach dem Polarlicht geht auch Elke auf ihrem Meerblog, und zwar ganz konkret in Island. In einer Reportage so farbenprächtig wie das Nordlicht lässt sie uns teilhaben an ihren Erlebnissen. Michaela wiederum, die auf ihrem Blog MAHTAVA regelmäßig von ihren Auszeiten im finnischen Mökki jenseits des Polarkreises berichtet, kennt dort alle Jahreszeiten hautnah. Wie es ist, so ein Polarlicht öfter zu beobachten, erzählte sie zuletzt in Kaamos – Finnische Rauhnächte. Auch Tarja hat Erfahrungen mit der tanzenden Lady Aurora in Finnland gemacht. Lasst euch von Tarjasblog inspirieren.

Tolle Fotos begleiten alle genannten Blogbeiträge, doch alle, die schon versucht haben, das Nordlicht einzufangen, wissen, dass das alles andere als leicht ist. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie ich – vor Eintritt ins Digitalfotografiezeitalter – ausgestattet mit Spezialfilmen, Spiegelreflexkamera und Zubehör bei minus 30 Grad mitten am zugefrorenen Torneälven in Jukkasjärvi stand und fast festfror. So richtig prachtvoll war das Nordlicht dann aber erst eine Stunde später, als ich mich längst zum Aufwärmen nach drinnen begeben hatte. Die Kamera war dann aber vom Hitzeschock ganz angelaufen und an diesem Abend nicht mehr zu gebrauchen. Wie es richtig geht, verraten viele Bücher wie jenes, das Sabine auf dem Travel Stories Reiseblog vorgestellt hat. Und wenn ihr schon dort seid, könnt ihr auch gleich noch nachlesen, wie man Nordlichter in einer Fischerhütte auf den norwegischen Lofoten bestaunt.

Wieder zu Hause angelangt, ist meine Strategie, dem Fernweh standzuhalten, das Stöbern auf Instagram. Gerade auch, um mir Leseideen zu holen. Und da ich weiß, dass gar nicht so wenige von euch eine skandinavische Sprache können, hier noch ein paar Links zu nordischen BücherblogkollegInnen auf Instagram. Dort findet ihr die neuesten Krimis, viele Kinder- und Jugendbücher, schwedische Buchtrends und dann noch norwegische Bücherreisen.

Viel Spaß beim Schmökern!

 

Wolverine River

Es sind die 1880er Jahre. Sophie ist noch nicht lange mit Allen verheiratet, als der als Colonel eine Expedition der US-Army nach Alaska leiten soll. Sophie ist endlich der Sphäre des Elternhauses entkommen und genießt ein wenig Freiheit, auch wenn die übrigen Damen in der Militärbasis eine gute Offiziersgattin aus ihr machen möchten. Doch Sophie geht ihrem Interesse der Vogelkunde unschicklich energisch nach. Ursprünglich sollte sie Allen auch ein Stück auf seiner Expedition begleiten, doch dann wird sie schwanger und ein Arzt verbietet die Reise. Fortan kommuniziert das Paar durch Briefe, die einerseits die Expedition in von Weißen noch kaum betretenen Land, andererseits Sophies Ausharren daheim beschreibt, das sie – sehr zum Entsetzen ihrer Umgebung – dazu nutzt, sich die neue Technik der Fotografie anzueignen. Die fiktive Handlung und auch die fiktiven Briefe basieren auf der Dokumentation einer tatsächlichen Expedition. Das Buch ist so vielschichtig, dass hier kaum auf alle Facetten eingegangen werden kann, da ist ein Stück Kolonialgeschichte über die Praktiken der US-Army bei der „Erforschung“ neuer Gebiete, der Umgang mit den Ureinwohner*innen, die Geschichte von Fotografie und Ornithologie, die außergewöhnliche Landschaft Alaskas in ihrer Wildheit und Geheimnisvollheit, in der übernatürliche Dinge passieren, und schließlich noch eine Rahmenhandlung in der Gegenwart, die die Brücke schlägt zwischen der Zeit der Kolonialisierung Alaskas und heute. Insgesamt ein ganz wunderbarer Band zum Eintauchen und mit 560 Seiten lang genug, um ein wenig länger zu verweilen. Jedenfalls mein Lieblingsbuch der Saison.

Eowyn Ivey: Das Leuchten am Rand der Welt. Aus dem Engl. von Claudia Arlinghaus und Martina Tichy. 559 Seiten, Kindler, Reinbek b. Hamburg 2017 EUR 23,60

Mord an der Ostsee

Flora stammt aus einem kleinen Dorf an der Küste, wo vor vielen Jahren, als sie noch ein Kind war, einer ihrer Freunde beim Spielen getötet wurde. Aufgrund von Aussagen der ZeugInnen und Indizien gab man damals Flora die Schuld. Sie selbst konnte sich an das Geschehene nicht erinnern und kam nach einem Zusammenbruch in die Jugendpsychiatrie. Ihr Vater brachte sich um, die Mutter wollte sie nicht mehr bei sich haben. Nun kehrt Flora zurück ins Dorf und als wäre das allgemeine Misstrauen nicht schon genug, stirbt auch noch Floras Nachbarin. Sie wurde vergiftet. Schnell ist im Dorf jede und jeder irgendwie verdächtig, Intrigen werden geschmiedet, Geheimnisse mit immer neuen Geheimnissen vertuscht. Bald scheint auch Flora in Gefahr. Kommissarin Korittki kennt solche Milieus und lässt auch nicht locker. Vor traumhafter Ostseekulisse wie immer lässt Eva Almstädt die uns vertraut gewordenen Kommissarin ermitteln. Von Erholung und Urlaub keine Spur. Spannend bis zum Ende und durch die Verknüpfung mit dem früheren Kriminalfall vielschichtiger als zuletzt. Was nach meinem Geschmack etwas zu viel war, war der Schicksalsschlag, der Korittki dann auch noch trifft – da rutscht die sonst solide Krimiserie ein bisschen Richtung Seifenoper.

Eva Almstädt: Ostseerache. Pia Korittkis dreizehnter Fall. 414 Seiten, Bastei Lübbe, Köln 2018 EUR 10,30

Eiskalt

Für alle, die in brütender Sommerhitze schon vom Winter träumen, verspricht dieses Buch Abkühlung. Siri lebt in einer arktischen, kargen Inselwelt. Ihre Mutter ist tot, aber ihr alter Vater kümmert sich mit seinem bescheidenen Einkommen als Fischer um Siri und ihre kleine Schwester Miki. Die kleine Welt der Familie kommt ins Wanken, als Miki von den Piraten von Kapitän Weißhaupt entführt wird. Siri hatte nur ganz kurz nicht auf sie achtgegeben. Die ganze Gegend fürchtet die Piraten, die kleine Kinder rauben, um sie in einer Diamantenmine schuften zu lassen. Mikis Schicksal scheint ausweglos, doch Siri macht sich sofort auf den Weg, ihre Schwester zu befreien. Mit dem letzten Handelsschiff, bevor das Meer für den Winter zufriert, heuert sie als Küchengehilfin an. Schiffskoch Fredrik wird ihr Freund, auch er hat seine Schwester an die Piraten verloren. Es beginnt eine abenteuerliche Reise, auf der Wölfe und Eiseskälte noch die geringsten Gefahren sind. Auf der Landkarte im Umschlag lässt sich Siris Route mitverfolgen. Realistische Schilderungen werden unterbrochen von fantastischen Passagen, die aber in der außergewöhnlichen Gesamtstimmung des Buches wunderbar passen. Heldinnengeschichten wie die der mutigen Siri würde ich gerne mehr lesen!

Frida Nilsson: Siri und die Eismeerpiraten. Aus dem Schwed. von Friederike Buchinger. Mit Illustrationen von Torben Kuhlmann. 371 Seiten, Gerstenberg, Hildesheim 2017 EUR 15,40 ab 10 J.