Willkommen zum NordNerds Adventskalender 2018 – Türchen 9 wartet

Logo NordNerds Adventskalender 2018Michel aus Lönneberga, Pippi Langstrumpf und Madita, sie alle haben mir schon als Kind die Zeit des Wartens auf Weihnachten verkürzt – sei es durch die Schilderungen des idyllischen schwedischen Weihnachtens oder durch die mit Sicherheit zu den Feiertagen wiederkehrende Ausstrahlung der diversen Verfilmungen. Es lag also mehr als nahe, mein Türchen Nr. 9 des NordNerds Adventskalenders 2018 mit einem Beitrag zu jener Frau zu füllen, die mir und so vielen anderen diese Fantasiewelten geschenkt hat: Astrid Lindgren. Und weil es so schön ist, aus dem Adventskalender kleine Geschenke zu holen, gibt es auch etwas zu gewinnen.

Astrid Lindgren – Film und Gewinnspiel

FilmplakatSo bekannt Astrid Lindgrens Bücher und Filme auch sind, und zwar mit ungebrochener Beliebtheit über inzwischen mehrere Generationen von Lesenden, so wenig weiß man – zumindest außerhalb Schwedens – über die Autorin selbst. Vielleicht ist das auch gar nicht notwendig, denn schließlich sprechen ihre Werke für sich. Doch nun, fast 17 Jahre nach dem Tod Lindgrens, bringt ein neuer Film ganz private Seiten ihrer Biografie auf die Leinwand. Die dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen ist eigenen Angaben zufolge durch Zufall auf die Geschichte jener einschneidenden Erlebnisse aus den Jugendjahren der Autorin gestoßen, die sie zu weiteren Recherchen und schließlich dem gerade auch im deutschsprachigen Raum angelaufenen Film „Astrid“ inspiriert hat.

Ein Geheimnis war es nie, in allen Biografien ist es nachzulesen, doch nachdem Lindgren selbst sich später nie öffentlich dazu geäußert hat, wurde auch nie eine große Sache daraus. Mit 16 Jahren bekam Astrid – damals Ericsson – die Chance, als Volontärin bei der Zeitung von Vimmerby zu arbeiten und damit sich erstmals in jenem Metier zu erproben, das später ihr Leben prägen sollte, dem Schreiben. Sie war jung und hungrig nach dem Leben, es waren die „wilden“ 20er Jahre, ein bisschen auch in Småland. Doch eine Affäre mit dem 30 Jahre älteren Chefredakteur der Zeitung blieb nicht folgenlos. Astrid wurde schwanger, und „wilde“ 20er Jahre hin oder her, im Dorf wäre das ein Skandal geworden, hätte es sich herumgesprochen. Eine leichte Lösung für die entstehenden Probleme gab es nicht. Eine Heirat mit dem noch dazu anderweitig verheirateten künftigen Vater kam nicht in Frage.

Astrid floh aus ihrem Heimatort nach Stockholm und begann dort eine Ausbildung zur Sekretärin. Das Kind brachte sie in Kopenhagen auf die Welt, wo das einzige Krankenhaus Skandinaviens lag, in dem Geburten nicht offiziell an die Heimatgemeinden gemeldet wurden und es möglich daher möglich war, den Vater nicht bekannt zu machen. Doch mit nach Hause nehmen konnte sie den kleinen Lasse nicht, er blieb bei einer Pflegemutter in Dänemark. Astrid schloss ihre Ausbildung ab, lebte in einem kalten Untermietszimmer und hungerte, damit sie ab und zu eine Reise über den Öresund zu ihrem Sohn finanzieren konnte. Erst nach einigen Jahren war Astrid in der Lage, ihr Kind nach Stockholm zu holen.

Der Film mit der dänischen Schauspielerin Alba August in der Hauptrolle konzentriert sich auf jene wenigen Jahre des Erwachsenwerdens und versucht mit großer Emotion die Bedeutung dieser schweren Erfahrungen für das Schaffen einer später berühmten Autorin zu ergründen. Während der Film in Schweden ein großer Publikumserfolg ist und vor allem die Leistung der Hauptdarstellerin hoch gelobt wird, gibt es auch kritische Stimmen, nicht zuletzt von Personen, die Lindgren persönlich kannten. Biografische Filme müssen immer interpretieren und Lücken in der Erzählung füllen – und diese Lücken sind hier aufgrund der Zurückhaltung Lindgrens groß. Dadurch werden Filme wie dieser aber auch zu eigenständigen Werken, in denen Fakten und Fiktionen zu einer neuen Geschichte verwebt werden. In diesem Fall die Geschichte einer jungen Frau, die gegen alle Konventionen der Gesellschaft ihrer Zeit kämpft und große Entbehrungen auf sich nimmt, um sich so viel Autonomie wie möglich zu verschaffen, und das ist weit über die Lebensgeschichte Lindgrens hinaus interessant und sehenswert.

Kinokarten zu gewinnen

Neugierig geworden? Du möchtest selbst eintauchen in diese Erzählung übers Erwachsenwerden unter besonders schwierigen Umständen? Dann kannst Du hier 2 x 2 Kinokarten für den Film „Astrid“ gewinnen. Mitmachen können alle, die über 18 und in Österreich wohnhaft sind. Alles was Du tun musst, ist unter diesem Artikel in den Kommentaren zu posten, welches Deine Lindgren-Lieblingsfigur ist und warum.

Unter allen Kommentaren, die bis 14. Dezember 2018 um 23:59 eingehen, wird ausgelost. Die GewinnerInnen werden per E-Mail verständigt. (Deine E-Mail-Adresse ist zur Abgabe eines Kommentars nötig. Sie wird aber nicht auf der Webseite angezeigt und für keinen anderen Zweck als die Gewinnspielabwicklung verwendet oder gespeichert.) Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen im Detail.

Weiterlesen

Wenn Du einstweilen schon mal mehr zu Astrid Lindgren lesen möchtest, findest Du auf meinem Blog Artikel zu Lindgrens Engagement gegen Gewalt gegen Kinder, zu einem wunderschönen Bildband mit Eindrücken aus allen Lebensabschnitten der Autorin, zur Urfassung von Pippi Langstrumpf sowie zum Briefwechsel mit Sara Schwardt.

 

Dieser Artikel ist ein „Türchen“ des NordNerds-Adventskalenders. Mehr nordischen Weihnachtsflair gibt es täglich auf folgenden Blogs:

  1. Sa www.mahtava.de
  2. So www.schwedenundso.de
  3. Mo www.bessernordalsnie.net
  4. Di www.sanddornundseegras.de
  5. Mi www.mahtava.de
  6. Do www.fernwehge.com
  7. Fr www.nordlandfieber.de
  8. Sa www.nordlicht-unterwegs.de
  9. So www.nordstein.at
  10. Mo www.utiniswundertuete.de
  11. Di www.tarjasblog.de
  12. Mi www.wienerbroed.com
  13. Do www.schwedenhappen.ch
  14. Fr www.bit.ly/franziinschweden
  15. Sa www.kapidaenin.de
  16. So www.besser-nord-als-nie.net
  17. Mo www.heldenunterwegs.de
  18. Di www.toertchenmadeinberlin.com
  19. Mi www.einfachschweden.de
  20. Do www.mahtava.de
  21. Fr www.elchkuss.de
  22. Sa www.meerblog.de
  23. So www.kapidaenin.de
  24. Mo www.finnweh.de 

Kinderbuchheld*innen

Der Band „Berühmte Kinderbuchautorinnen“ der Germanistin Luise Berg-Ehlers spannt einen weiten Bogen über das Schaffen von Autorinnen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur der letzten 150 Jahre. Von Clementine Helm bis J.K. Rowling sind 27 Kurzbiografien mit oft unbekannten Details vereint. Else Ury, Christine Nöstlinger, Judith Kerr, Selma Lagerlöf, Enid Blyton, Tove Jansson und viel andere werden vorgestellt und ihr Hauptwerk gewürdigt.

Viele, auch der älteren genannten Bücher stehen heute noch in öffentlichen Bibliotheken und werden gelesen, zumindest aber sind alle, die in den 1970er Jahren und früher geboren wurden, mit Figuren wie Backfisch, Trotzkopf oder Nesthäkchen aufgewachsen. Ein bislang nostalgisches, manchmal kopfschüttelndes Wiedersehen ob der stereotypgetränkten Welten, die einst für Unterhaltung sorgten, gibt es da. Auch nie wahrgenommene Held*innen, wie Daddy Langbein oder Anne auf Green Gables, sind anzutreffen. Ein guter Überblick für Interessierte, ein Anstoß zu Leseerinnerungen und vielleicht ein Anlass, mit den Kindern von heute die Bilder zu betrachten und zu vergleichen, was einst und heute Kinderbuchheld*innen so ausmachte.

Luise Berg-Ehlers: Berühmte Kinderbuchautorinnen und ihre Heldinnen und Helden. 152 Seiten, Elisabeth Sandmann Verlag, München 2017 EUR 25,70

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2017

Reichlich Stoff zum Erzählen

axelsson_vortragDie schwedische Autorin Majgull Axelsson war am 13. Jänner 2016 zu Gast am Institut für Skandinavistik der Universität Wien und sprach über das Schreiben an sich, ihre Biografie und einige ihrer Werke.

Die 1947 geborene Autorin arbeitete 20 Jahre lang als Journalistin, „ganz durchschnittlich“, wie sie selbst fand, bis sie beschloss, diese „langweilige Art zu schreiben“ hinter sich zu lassen und sich dem Schreiben von Belletristik zu widmen. Über eine journalistische Publikation zum Thema Kinderarbeit wurde sie auf das Thema Kinderprostitution aufmerksam. Bei Recherchen auf den Philippinen lernte sie das Mädchen Rosario kennen, dessen Geschichte auf rein faktischem Niveau nicht darstellbar war. Sein Leben und Sterben waren für Axelsson ein Stoff, der erzählt werden musste.  axelsson_rosarioSo entstand der dokumentarische Roman „Rosario är död“ (dt. „Rosarios Geschichte“). Die Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema, Rosario arbeitet als Kinderprostituierte und stirbt nach einer Verletzung, die ihr ein Freier zufügt, qualvoll, war hart, aber das literarische Schreiben fiel Axelsson leichter. Sie beschloss, Vollzeitautorin zu werden; nicht weil das Buch sich so gut verkaufte, aber weil sie es sich mit Unterstützung durch ihren Mann doch irgendwie leisten konnte. Es entstand der erste rein fiktive Roman „Långt borta från Nifelhjem“ (1994, dt. „Der gleiche Himmel“), in dem eine Frau Anfang 40 nach Hause nach Schweden an das Totenbett ihrer Mutter reist und sich nicht nur mir ihrer Kindheits- und Jugendzeit konfrontiert sieht, sondern auch mit dem, was ihr nicht lang zuvor während eines Vulkanausbruchs auf den Philippinen zugestoßen ist, das sie aber noch verdrängt.

Axelsson sprach in ihrem Vortrag in Wien sehr offen über ihren privaten Hintergrund und wie dieser immer wieder bedeutsam für ihr literarisches Schaffen war. So erzählte sie, wie eine Alzheimererkrankung ihren Vater und ein Gehirntumor ihre Schwester stark veränderten und sie das in ihren Roman axelsson_aprilhexe„Aprilhäxan“ (1997, dt. „Die Aprilhexe“) einfließen ließ. Zentrale Figur des Romans ist Desirée, die in den 1950er Jahren mit einer schweren Behinderung geboren wird und sofort in ein Heim kommt. 40 Jahre später erhalten ihre drei (Pflege-)Schwestern einen Brief von ihr. Desirée versucht herauszufinden, wer von den dreien ihr Leben gestohlen hat. Doch wie der Roman eindrücklich darstellt, gibt es nicht nur darauf keine Antwort, vielmehr sind die Leben der Frauen alle auf eine Art verkorkst, dass man mit keiner tauschen möchte. Neben den Schicksalen der Protagonistinnen wird auch das schwedische Volksheim demontiert.  „Die Aprilhexe“ brachte Axelsson den großen Durchbruch, der Roman wurde zum Bestseller und u.a. mit dem prestigeträchtigen Augustpreis ausgezeichnet.

Nach dem großen Erfolg „kam die große Depression“ und es war schwierig, den Anschluss im Schreiben zu finden. Es dauerte viele Bücher lang, meint Axelsson, bis sie wieder einen Stoff fand, über den noch nicht viel geschrieben worden war und der ihr so richtig nahe ging. Damit spielt sie an ihren neusten Roman „Jag heter inte Miriam“ (2014, dt. „Ich heiße nicht Miriam“) an, der vom Umgang axelsson_miriamSchwedens mit der Minderheit der Roma handelt. Die Hauptfigur Miriam bekommt zu ihrem 85. Geburtstag ein Armband mit ihrem eingravierten Namen geschenkt und kommentiert das überrascht mit: „Ich heiße nicht Miriam“. Ihre Verwandten wissen nicht recht, ob sie richtig gehört haben und der Moment geht vorbei. Doch Miriams Enkelin lässt der Vorfall keine Ruhe und sie fragt nach. Die Geschichte, die sei dann zu hören bekommt, geht über die Grenzen des Vorstellbaren. Miriam, eine Jüdin, die mehrere KZ überlebt hat, wie alle meinen, hat schon im Lager durch Zufall eine andere Identität angenommen. Denn eigentlich heißt sie Malika und ist Roma. Sie überlebt, kommt nach Schweden und muss feststellen, dass sie als Roma auch hier nicht sicher wäre und so bleibt sie Miriam.

Der Roman schildert in vielen Rückblenden Miriams Geschichte und was das in der Gegenwart für die alte Frau bedeutet. So werden auch weitgehend unbekannte geschichtliche Ereignisse benannt, wie z.B. der Widerstand von Roma-Häftlingen in Ausschwitz oder die sog. „Zigeunerkrawalle“ in der schwedischen Kleinstadt Jönköping 1948. Roma wurden in Schweden lange Zeit diskriminiert, durften sich z.B. nirgends niederlassen. Ein Aspekt schwedischer Geschichte, der noch nicht aufgearbeitet ist. Der Roman über Miriam ist fiktiv. Axelsson stieß bei ihren Recherchen vielfach noch auf beängstigtes Schweigen. Einige persönliche Reaktionen nach Veröffentlichung des Buches zeigten ihr jedoch, dass die Fiktion nicht weit von realen Lebensgeschichten weg ist, dass die Betroffenen aber immer noch vorziehen, anonym zu bleiben.

 

Erwähnte Romane:

Majgull Axelsson: Rosario är död. 1989. dt. Ausgabe „Rosarios Geschichte“ 2002.

Majgull Axelsson: Långt borta från Nifelhjem. 1994. dt. Ausgabe „Der gleiche Himmel“ 2004.

Majgull Axelsson: Aprilhäxan. 1997. dt. Ausgabe „Die Aprilhexe“ 2000.

Majgull Axelsson: Jag heter inte Miriam. 2014. dt. Ausgabe „Ich heiße nicht Miriam“ 2015.

 

Tove Jansson: „Freiheit ist das Beste von allem“

Tove Jansson (1914-2001) ist bis heute die wohl bekannteste jansson_comicschwedischschreibende Autorin Finnlands. Über ihr reiches Künstlerinnenleben berichtet die Kunsthistorikerin Tuula Karjalainen anschaulich und einfühlsam in der nun auf Deutsch erschienenen Biografie.

Jannson war nämlich viel mehr als nur Schriftstellerin, nämlich Kunstmalerin, Illustratorin, Comic-Zeichnerin, Bühnenbildnerin, Dramaturgin, Dichterin, politische Karikaturistin. „Da war sie eine unerbittliche und leidenschaftliche Pazifistin und Antifaschistin. In ihren Gedanken und ihrer Lebensweise war sie eine Feministin, die ihrer Zeit voraus war.“

Als Tochter eines bekannten Bildhauers und einer überaus produktiven Illustratorin war ihr die künstlerische Laufbahn gewissermaßen vorgegeben. Mit dem Vater verband sie eine lebenslange Hassliebe, die Mutter war ihre wichtigste Vertraute. Beide waren künstlerische Vorbilder, während ihre Ehe, in der die Mutter ihre künstlerische Karriere hinter die des Vaters stellte, um sich um Haushalt, Kinder und regelmäßiges Einkommen zu kümmern, das Gegenteil von dem war, was die freiheitsliebende Tove wollte. Einen wunderbaren Einblick in ihre Kindheit bieten auch Janssons Erzählungen in „Die Tochter des Bildhauers“, die mit scharfem Blick auch die patriarchalen Verhältnisse in der Kunstszene aufs Korn nehmen.

jansson_bioJansson studierte Malerei in Stockholm und Helsinki, doch ihre gerade in Schwung kommende Karriere wurde durch den Zweiten Weltkrieg erst einmal gedämpft. Die Erfahrungen der Kriegsjahre verarbeitete sie teilweise durch Schreiben, die Mumin-Familie entstand. Ihren ökonomischen Durchbruch erlebte sie mit den überaus erfolgreichen Mumin-Comics, die in den 1950er Jahren in der englischen Zeitung „The Evening News“ erschienen und von dort um die Welt gingen. Jansson war die Erste, die die Trennlinien zwischen den Comicbildnern in die Geschichten einbezog und als Bildelemente gestaltete. Für viele Zeichnerinnen wurde Jansson zum Vorbild und noch heute sind Frauen in der finnischen Comicszene, sonst oft ein männlich dominierten Genre, überrepräsentiert.

Immer wieder zog es Tove Jansson in ihrer Laufbahn zur Malerei, später auch zur Literatur für Erwachsene, in beiden Bereichen hatte sie Erfolg. Insgesamt ist ihr Leben geprägt von einer unglaublichen Produktivität, und das, obwohl sie immer wieder unter depressiven Episoden litt.

Privat hatte Jansson in den 1930er bis 40er-Jahren einige Beziehungen zu (künstlerisch) einflussreichen Männern, bis sie sich Hals über Kopf in die Theaterregisseurin Vivica Bandler verliebte. Die Frau fürs Leben fands sie schließlich in der Künstlerin Tuulikki Pietilä: „Toves Traum einer Beziehung zwischen zwei selbstständigen, sich gegenseitig ergänzenden und gemeinsam arbeitenden Menschen war Wirklichkeit geworden.“ Die beiden lebten fast 50 Jahre zusammen. Ganz offen, aber nicht öffentlich. Skandal war es keiner, wenn auch manchmal über sie getuschelt wurde: „Ihre Offenheit bedeutete viel für das Leben der sexuellen Minderheiten in Finnland. Obwohl sie auch in dieser Sache nicht auf die Barrikaden gestiegen ist.“

Tove Jansson: Die Tocher des Bildhauers. Übersetzt von Birgitta Kicherer. 127 Seiten, Urachhaus, Stuttgart 2014     EUR 18,40

Tuula Karjalainen: Tove Jansson. Die Biografie. Übersetzt von Anke Michler-Janhunen und Regine Pirschel. 352 Seiten, Urachhaus, Stuttgart 2014            EUR 37,10

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2014

Ur pippig

Die Geschichte, dass Astrid Lindgrens Welterfolg „Pippi Langstrumpf“ beim größten schwedischen Verlag Bonniers seinerzeit abgelehnt wurde und dafür der weniger renommierte Verlag Rabén & Sjögren das große Los zog, kennen eingefleischte Pippi-AnhängerInnen natürlich längst. Für alle, die es noch genauer wissen wollen, gibt es jetzt das Ur-Manuskript, so wie es Lindgren ihrer Tochter zu Weihnachten schenkte und dann bei Bonniers einreichte, in Buchform. Wie das ausführliche Nachwort der Literaturwissenschafterin Ulla Lundqvist zeigt, ist dieser Text zwar gleich lang wie die schließlich veröffentlichte Version, aber zu 40% unterschiedlich, was sich durch Streichungen und Hinzufügungen neuer Szenen erklärt. Aber auch der Ton veränderte sich, Pippi wurde etwas weniger unverschämt, dafür etwas mitfühlender. Lindgren entwickelte in der Bearbeitung ihr schriftstellerisches Talent weiter, indem sie manche Passagen schlicht für Kinder leichter verständlich machte. Trotzdem gibt es in der Urfassung der Pippi einige nette Details, deren Verschwinden zu bedauern ist, so etwa die Szene, in der Pippi zu Tommy und Annika sagt: „Liebe kleine karierte Kinder!“. Amüsant zu lesen für alle erwachsen gewordenen Pippis unter uns, und ein Muss für alle Lindgrenbegeisterten.

Astrid Lindgren: Ur-Pippi. Übersetzt von Cäcilie Heinig und Angelika Kutsch. Kommentiert von Ulla Lundqvist. 176 Seiten, Oetinger, Hamburg 2007, EUR 15,40

erstmals erschienen in WeiberDiwan 02/2007

Bildgeschichten

Heuer wäre Astrid Lindgren 100 Jahre alt geworden. Ein Grund auch für ihren langjährigen deutschsprachigen Verlag Oetinger die meisten ihrer Bücher neu aufzulegen. Ein ganz besonderes Schmuckstück ist allerdings ein neues Buch über Lindgren, ein großer Bildband, der das Leben der Autorin noch einmal in neuer Tiefe zeigt. Fotografien aus mehr als 100 Jahren und Faksimiles von Briefen, Manuskriptseiten und Dokumenten. Alles beginnt natürlich mit Bildern von Småland aus Lindgrens Kindheit, dann das junge Erwachsenenleben und die ersten Fotos ihrer Kinder, FreundInnen, Verwandte, ihre Wohnumgebung, das geliebte Ferienhaus. Die so gezeigte „private“ Astrid ist auf den ersten Blick wohl bekannt, ein vielfach reproduziertes Idyll, das aber einmal mehr gebrochen wird, im Begleittext oder etwa auch in der Abbildung vom Reisepass der knapp 20-Jährigen, die sparte, wo sie nur konnte, um ihr – unehelich geborenes – Kind bei der Pflegefamilie in Kopenhagen zu besuchen.

Ein großer Teil des Bandes widmet sich dann der Arbeit als Autorin; besonders die Fotos von den Filmsets erweitern auf faszinierende Art und Weise den Blick der Betrachterin: nur zu bekannt sind die Gesichter der SchauspielerInnen von Pippi, Michel und Co, doch hier sieht man sie gemeinsam mit der Erschafferin ihrer Rollen: mit Pippi schleicht Lindgren durch den Garten der Villa Kunterbunt und erklärt ihr anscheinend die nächste Szene, gemeinsam mit Ronja (Räubertochter) und deren Freund Birk steht sie im windigen Wetter und blickt auf die Mattisburg.

Perfekt wird der Band aber erst durch die „ungewöhnlichen“ Bilder, die zeigen, dass Lindgren eben außergewöhnlich war: als 71-Jährige auf einen Baum kletternd oder beim Foto-Shooting zum 90. Geburtstag Grimassen schneidend, den Schalk und Humor ungebrochen in den Augen. Unbedingt empfehlenswert!

Jacob Forsell, Johan Erséus, Margareta Strömstedt: Astrid Lindgren. Bilder ihres Lebens. Übersetzt von Angelika Kutxh. Oetinger, Hamburg 2007 EUR 40,10

erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2007