Anne B. Ragde führt uns von Etage zu Etage eines Wohnhauses in den 1960er Jahren. Wir treffen unterschiedliche Familien, lernen ihre Vorlieben und Schwächen können. Die Frauen sind Hausfrauen, die Männer arbeiten – oft als Verkäufer für Autos oder Instantsuppen. Es wird viel geputzt und brav konsumiert, was man aus US-Filmen so kennt: Autos, Staubsauger, Tiefkühltruhen. Aber in dieser neuen städtischen Mittelschicht, die im Kontrast zu ihrer oft bäuerlichen Herkunft, ein Leben in Wohlstand führt, gibt es wenig wirkliche Zufriedenheit. Vielmehr ein beständiges Gefühl, es doch gut haben zu müssen, weil die Zeiten nun bessere sind. Die mögliche Erwerbstätigkeit der Frauen kommt immer wieder zur Sprache; entweder weil ein Zusatzeinkommen nötig wird, um dem Konsumdruck standzuhalten, oder als Drohung an den Ehemann, damit er mehr Haushaltsgeld rausrückt.
Das Haus ist hellhörig und die Nachbarschaft neugierig, aber es gibt keinerlei Nähe zwischen den BewohnerInnen. Die hübsche Kinderlose aus dem dritten Stock wird von allen Männern als Sexsymbol angeschmachtet und von allen Frauen verachtet, bleibt selbst aber extrem einsam. Die psychisch kranke Jungmutter bekommt keine Hilfe. Der Roman zeichnet mal unterhaltsam und ironisch beobachtend, mal tragisch analysierend ein zwiespältiges Zeitbild einer Art Zwischenepoche: das alte bäuerlich geprägte Norwegen ist auf dem Weg zum modernen Sozialstaat, aber noch lange nicht dort angekommen.
Anne B. Ragde: Ich werde dich so glücklich machen. Roman. Übersetzt von Gabriele Haefs. 287 Seiten, btb Verlag, München 2012 EUR 20,60
erstmals erschienen in WeiberDiwan 01/2013