Der auch im deutschsprachigen Raum bekannte isländische Autor Hallgrímur Helgason hat vor kurzem sein neues Buch „Seekrank in München“, das etwa zeitgleich in Isländisch und Deutsch erschien, auch in Wien vorgestellt, und zwar einmal an der Abteilung für Skandinavistik der Universität Wien und dann in der Buchhandlung Hartlieb. Zu seinen größten literarischen Erfolgen zählen „101 Reykjavík“, das auch verfilmt wurde, oder „Eine Frau für 1000 Grad“, das 2011 anlässlich der Frankfurter Buchmesse, wo Island Gastland war, sogar zuerst auf Deutsch herausgebracht wurde.
Helgason ist nicht nur Autor, sondern auch Maler, Übersetzer, Kabarettist und politischer Aktivist. In den frühen 1980er Jahren zog er für ein Jahr nach München, wo er an der Kunsthochschule studierte und eine für seine künstlerische Entwicklung wichtige Zeit verlebte, die aber dennoch viele negative Erinnerungen hinterließ. Als Helgason 2011 mit gemischten Gefühlen zum ersten Mal wieder nach München kam, entschloss er sich, ein autobiografisches Buch über seinen Münchenaufenthalt als Student zu schreiben. Was für ein Unterschied war es doch, als gefeierter Autor vor ausverkauftem Hause zu lesen und viele positive Rückmeldungen zu bekommen. Jungsein bezeichnet Helgason im Nachhinein als Krankheit. Der Zustand, als junger Künstler noch nicht zu wissen, wer man ist, zeigt sich im Falle der Romanfigur – die nur als „der junge Mann“ oder „Jung“ bezeichnet wird – in einer anhaltenden Übelkeit, die mit regelmäßigem Erbrechen einhergeht und die auf eine geheimnisvolle Krankheit schließen lässt. Wie in einem Kriminalroman legt der Autor so eine Spur durch den gesamten Text. Der junge Mann erbricht eine seltsame schwarze Masse, die sich noch dazu selbst entzündet. Medizinisch ist ihm nicht zu helfen und so steigert sich die Kotzerei endgültig ins Surrealistische, als er beginnt, den Auswurf in einem Bierglas zu sammeln, das er fortan immer unter seinem Mantel versteckt. Und so geht Jung durch seine Münchner Tage, auf die Uni, aufs Oktoberfest, durch Krise nach Krise und wundert sich über dies und das, was hier in Mitteleuropa gebräuchlich ist, nicht zuletzt über den reichlichen Bierkonsum, was nicht weiter verwundert, war Bier auf Island doch bis 1989 verboten.
In „Seekrank in München“ widmet sich Helgason erstmals einem autobiografischen Thema: „Fast alles ist wahr“, meint er, nur um gleich zu versichern, dass er sich natürlich nicht im Wohnzimmer seiner Vermieterin hinter dem Vorhang versteckt hat, um zu spionieren. Eine Klarstellung, von der er hofft, dass auch die Betroffene ihm glauben wird, die er kürzlich bei einer Lesung in München wiedergetroffen hat. Wie dem auch sei, ein skurriles Lesevergnügen!
Hallgrímur Helgason: Seekrank in München. Roman. Aus dem Isländischen von Karl-Ludwig Wetzig. 416 Seiten, Tropen – Klett-Cotta, Stuttgart 2015 EUR 20,50